Tierschutzgesetz - wie anwendbar auf Tiere, die nicht allein überleben würden?

(Not-)Aufzucht junger und erwachsener Frösche und Kröten
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Slava
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Tierschutzgesetz - wie anwendbar auf Tiere, die nicht allein überleben würden?

Beitrag von Slava »

Hallo!

Wie ich in einem anderen Thread bereits beschrieben habe, habe ich einen kleinen Grasfrosch in Pflege genommen: dieser war, als ich ihn gefunden hatte, so unterernährt, dass er aussah wie ein Köpfchen mit nochwas dran. Haut und Knochen.

Seine Wirbelsäule hat eine starke Fehlbildung, und er hat nur ein Hinterbein, das linke, welches sich durch die extreme seitliche Krümmung der Wirbelsäule dort befindet, wo normalerweise die Kloake wäre. Die Kloake selbst befindet sich auf dem Rücken auf der rechten Seite.
Am rechten Vorderbein scheint er auch eine Fehlbildung zu haben, die aber nicht so schwerwiegend ist.

Während seiner Zeit hier, bald einen Monat, ist es offensichtlich geworden, dass er in freier Wildbahn verhungern würde.
Er bekommt sein Futter - Mikrogrillen - in einem kleinen, durchsichtigen Behälter, den ich zu seiner Fütterungszeit in sein Terrarium setze: Ich setze eine gewisse Anzahl Grillen mit ihm dort rein, und hole ihn wieder raus und setze ihn in sein eigentliches, großes Terrarium, wenn er fertig ist.

Auf diesem engen Raum kann er sich seine Nahrung erjagen. Wenn er jagt, beobachte ich ihn manchmal, und ich kann sehen, wie er vor Anstrengung zittert - vor allem das Bein. Kalzium und Vitamin D3 Mangel sollte auszuschließen sein, weil ich die Grillen vor der Fütterung damit bepudere - es sieht einfach aus wie ein Spasmus durch die Fehlbelastung des einen Hinterbeins. Er zittert auch sonst nicht, nur wenn er läuft.

Wenn er springt (sehr selten, wenn ich ihn aus Versehen doch mal erschrecke beim Wasser wechseln etc.), fällt er meistens erstmal auf den Rücken. So habe ich ihn auch gefunden - auf dem Rücken liegend, wieder auf die richtige Seite zappelnd, wieder hüpfend, und dasselbe von vorne.

Wie man sieht, würde er in freier Wildbahn entweder gefressen werden oder verhungern - als ich ihn gefunden hatte, war er ja kurz davor.

Mittlerweile hat er gut zugelegt. Er sieht wohlgenährt aus, und er wirkt abgesehen von seiner Behinderung wie ein ganz normaler, zufriedener Frosch. Er hat seine Lieblingsplätze im Terrarium, die er zu immer ähnlichen Tageszeiten aufsucht. Er wirkte bereits kurz nachdem er hier war sehr viel ruhiger als dort wo ich ihn gefunden hatte, ruhig, aber nicht apathisch.

Er scheint außerdem langsam zu wachsen :)

Meine Frage nun: Ich weiß, dass Amphibien nicht ihrer Umwelt entnommen werden dürfen (das habe ich erfahren, als er schon bei mir war, und ich nach der artgerechten Haltung recherchiert habe). Dieser Frosch jedoch würde definitiv nicht mehr leben, wenn ich ihn nicht pflegen würde.

Ich wollte kein Haustier, aber ich wollte ihn nicht sterben lassen, und es macht mich so glücklich, jeden Tag sehen zu können, wie gut es ihm geht. Wie gesagt, er hat sich von Haut und Knochen zu einem stattlichen (wenn auch sehr kleinen), gesunden Fröschlein entwickelt, welches nun trotz seiner schweren Behinderung ein ruhiges Leben führen kann.

Ich bin gern bereit, ihn so lange zu pflegen, wie er lebt - hoffentlich noch viele, glückliche Froschjahre.

Einen Tierarzt habe ich schon dazu befragt (mit dem Gesetz angewendet auf diesen speziellen Frosch), und der hat nur abgewunken. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass mein kleiner Pflegling irgendeinen Nutzen für die ansässige Grasfroschpopulation haben würde - da er zur relevanten Zeit schon längst nicht mehr am Leben wäre.

Ich stelle diese Frage nicht, um einen moralischen Freibrief zu bekommen - aber ich würde gern hören, ob jemand mit solchen Fällen Erfahrung hat, und was er oder sie über diese Situation hier denkt...

Vielen Dank!

Slava
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Froschnetz
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Re: Tierschutzgesetz - wie anwendbar auf Tiere, die nicht allein überleben würden?

Beitrag von Froschnetz »

Man muss unterscheiden zwischen Artenschutz und dem Schutz eines einzelnen Individuums.

Für die Natur hat der Artenschutz Priorität. Ob einzelne Tiere sterben ist nicht so wichtig, solange die Art gesund bleibt und überlebt. Die Natur sorgt in manchen Fällen sogar dafür, dass kranke und schwache Tiere vorzeitig ableben (z.B. indem andere Tiere solche gezielt jagen), da sie eine Gefährdung für den Bestand sein können.
Auf den Artenschutz sind auch unsere Gesetze ausgelegt.

Damit nun nicht Amphibien massenweise der Natur entnommen werden für die Terrarienhaltung zuhause (wie das leider in den tropischen Ländern heutzutage immer noch weit verbreitet ist und dort lokale Bestände bedroht), wurde das Fangen verboten. Früher war auch das bei uns üblich, man erinnere sich an den Laubfrosch im Glas, der als Wetterfrosch diente.

Man könnte nun Ausnahmen machen: Kranke Tiere dürfen gehalten werden von entsprechend erfahrenen Leuten. Aber dann muss man definieren ab wann ist ein Tier krank und kann in der Natur nicht mehr alleine gesund werden, was heisst entsprechend erfahren etc.. Wer entscheidet, ob das Tier in der Natur nicht auch hätte überleben können? Kann man das überhaupt? Wird es überhaupt gesund oder verlängert man nur das Leiden kombiniert mit dem Stress in Gefangenschaft? Kompliziert und kaum umsetzbar mit nur geringem Nutzen für die Art.

Wenn man nun aber trotzdem ein krankes, in der Natur nicht überlebensfähiges Tier gesund pflegt, ist es zwar gegen das Gesetz, aber eigentlich nicht gegen dessen Ziel. Gleiches gilt etwa auch für den Fall, Kaulquappen aus einem austrocknenden Tümpel zu retten. Das ist zwar auch ein unnatürlicher Eingriff. Aber wir Menschen haben so viel unnatürlich zu Ungunsten der Amphibien in die Natur gepfuscht, dass man vielleicht nicht auch einmal in die andere Richtung unnatürlich eingreifen darf? Da kann man nun geteilter Meinung sein. In dem Fall sehe ich aber zumindest moralisch nicht ein Problem.

Es stellt sich aber die Frage, ob man mit anderen Massnahmen mit gleichem Aufwand nicht besser den Amphibien helfen kann? Z.B. sich für den Erhalt des Lebensraumes einsetzen oder selber helfen Tümpel zu schaffen etc.. Dies wäre dann wieder Artenschutz und nicht Individuenschutz.
Jan Meyer
Froschnetz
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